Wimpel vom Circus Semsrott

Im Circus-Archiv in Marburg taucht der Circus Semsrott erstmals auf, als er im Herbst 1896 in Leitmeritz und Teplitz-Schönau mit einem Riesenzelt (wie die Presse schrieb) gastierte, also im Böhmischen reiste mit sehr guten Pferdenummern im Programm.

Die Circusdirektorin Adelheid Semsrott entwickelte den 1891 nach dem Tode ihres Mannes von ihr gegründeten Circus „A. Semsrott Wwe.“ zu einem geachteten Mittelunternehmen, das vor allem in Schlesien, Pommern und Ostpreußen begeisterte und das sie bis zu ihrem Tode am 10. 1. 1927 leitete.

Ihre Tochter Olga heiratete den bekannten Fußantipoden und Clown Hodgini, Tochter Frieda den Jongleur Spyrka, die später zusammen mit der Direktorin im Circus Semsrott auftraten, in den späteren 20er Jahren ergänzt durch vier Enkel. Ein Journalist schrieb: „Circus Semsrott brachte stets gute Nummern, die zum großen Teil von Familienmitgliedern bestritten wurden, die ja alle Vollartisten waren.“

Nach Adelheids Tod übernahmen also die beiden Töchter und Schwiegersöhne die Leitung des Circus, den sie natürlich weiterentwickeln wollten und wofür sie offen für neue Konzepte waren.
So erwies es sich als passend, dass die Familie Malmström in finanziellen Schwierigkeiten war, ihre „Circus Arena Malmström“ aufgeben wollte und als Familie Anschluss suchte. Wahrscheinlich war es die Initiative der Malmströms, die vorschlugen, dem Circus Semsrott beizutreten, was den Semrotts wohl als ideale Ergänzung erschien.

Am 5. Juni 1927 wurde ein Vertrag geschlossen, dass Felix Spyrka, Jakob Hodgini und Herbert Malmström gemeinsam Direktoren des Circus Semsrott wurden.
Dabei ergänzten sich die beiden Familien in ihren Programm-Nummern in perfekt. Aus 1929 liegt ein Programm vor, in dem von 17 Nummern nur zwei (Herr Bauer mit Dressuren und A. Winkler mit Raubtieren) von Außenstehenden bestritten werden, alle anderen werden von Mitgliedern der drei Familien sehr erfolgreich gestaltet.

Damals beschrieb ein Journalist ein Gastspiel von Sarrasani so: ein Riesenzirkus, glitzernd und amerikanisch seine Reklame, die mehr versprach als die Vorstellung halten konnte.
Und ein folgendes Gastspiel von Semsrott so: Ein Mitttelständler mit Zweimaster, der ein vielseitiges ausgezeichnetes Programm bietet.

Was an Hoher Reitschule und Pferdedresssurakten geboten wird, sind Leistungen, die wir in ganz großen Zirkussen nicht besser gesehen haben. Höchste Anerkennung verdienen die Leistungen akrobatischer Art der Gebrüder Malmström in der Zirkuskuppel. Die Antipodenspiele des Herrn Hodgini sind erstaunliche Leistungen. Der Balance-Akt der Geschwister Kolter fesselte verdientermaßen.

Das Programm war also erfolgversprechend, aber drei Naturkatastrophen verhinderten den erhofften Erfolg. Als der Circus 1929 durch Sturm und Feuer zweimal vernichtet wurde, war die Zukunft ungewiss.

Da erhielten die Brüder Malmström ein sehr attraktives Angebot, beenden die Zusammenarbeit mit den Semsrotts am 27. Oktober 1929 und traten am 1. November im Wappenhof in Breslau auf, von wo aus ihre Karriere steil aufwärts ging – eine Entwicklung die ein Mittelklassenzirkus wie Semsrott eben nicht bieten konnte.
Text: Prof. Dr. Heinz Stoffregen